Hat man einen Rechtsanspruch auf Löschung unerwünschter Links?

Die Problematik

Gut 90 % aller deutschen Internetnutzer bemühen für ihre täglichen Recherchen im Netz die Suchmaschine Google. Es ist daher nicht weiter verwunderlich, dass über Erfolg oder Misserfolg einer Internetseite in Deutschland im Wesentlichen das Ranking der Seite bei Google entscheidet.

Der gemeine Internetnutzer konzentriert sich dabei bei seiner Suche nach Informationen im Wesentlichen auf die ersten zehn Ergebnisse, die ihm von Google nach Eingabe einer Suchanfrage auf der ersten Seite präsentiert werden. Schon auf der zweiten Seite nimmt die Klickrate dramatisch ab. Wer sich mit seiner auch noch so gut gemachten Internetseite auf den Suchergebnisseiten 3 und folgende wieder findet, wird vom Google-Nutzer regelmäßig kaum wahrgenommen.

Das Ranking einer Internetseite bei Google wird im Wesentlichen von einem sich ständig ändernden Algorithmus bestimmt. Wie genau das Ranking einer Seite von Google ermittelt wird, gehört wohl zu den best gehütetsten Geheimnissen des Internets. Angeblich werden von Google mehr als 200 verschiedene Faktoren ausgewertet, um zu entscheiden, wo eine Internetseite in den Suchergebnisseiten auftaucht.

Ein wohl nicht ganz unwesentlicher Faktor für Google ist die Frage, wie oft eine bestimmte Internetseite von anderen Seiten im world wide web verlinkt ist. Hinter diesem Bewertungsfaktor steht die Logik, dass eine Internetseite offenbar wertvollen und interessanten Inhalt haben muss, wenn zahlreiche andere Seiten auf sie verweisen. Je mehr Links eine Seite aufweist, desto größer ist die Wahrscheinlichkeit, dass diese Seite bei Google ganz oben positioniert ist.

Nachdem dieser Effekt schon seit Jahren bekannt ist, haben Heerscharen von Internetseitenbetreibern in der Vergangenheit versucht, den Erfolg ihrer eigenen Seite dadurch zu fördern, indem sie auf dritten Internetseiten Links auf ihre eigene Homepage setzen oder auch setzen lassen.

Rund um das Setzen von Links hat sich im Internet eine kleine Industrie entwickelt. So kann man auf diversen Portalen für kleines Geld „500 echte do follow Backlinks von mindestens 50 IPs“ zum Zwecke der Suchmaschinenoptimierung erwerben. Bereits seit Jahren bieten unzählige Artikelportale, Webkataloge oder Bookmark-Dienste dem interessierten Internetnutzer an, die eigene Seite dort kostenfrei einzutragen und auf diesem Weg einen Link auf die eigene Seite zu erzeugen.

Diese kleine Link-Welt war auch lange Zeit in Ordnung. Tatsächlich profitierten die auf diesem Weg hundert- oder tausendfach verlinkten Seiten nämlich von den künstlich erzeugten Links und kletterten im Ranking bei Google nach oben.

Das änderte sich jedoch schlagartig mit einer von Google lange angekündigten Änderung des Suchalgorithmus. Google war es natürlich nicht verborgen geblieben, dass Internetseitenbetreiber zunehmend versuchen, die Suchergebnisse insbesondere durch das massenhafte Setzen von Links zu manipulieren. Der Anspruch von Google, die „besten“ Suchergebnisse auch ganz oben in der Trefferliste zu präsentieren, wurde durch massenhaft betriebenen Link-Spam konterkariert.

Google lässt den Pinguin los

Dies konnte und wollte sich Google nicht gefallen lassen und ließ auf die versammelte Internet-Gemeinde ein kleines Tier namens Penguin los. Unter diesem Namen wurde von Google in den Suchalgorithmus ein Update eingespielt, dessen vordringlicher Zweck es war, die Beeinflussung von Suchergebnissen durch Link-Spam zurück zu drängen.

Der Erfolg von Penguin war durchschlagend. Internetseiten, die ehedem bei Google noch auf den vordersten Plätzen lagen, fanden sich plötzlich auf Suchergebnisseite 400 ff. wieder und mussten entsprechend massive Einbrüche bei den Besucherzahlen hinnehmen. Für die Betreiber von betroffenen Internetseiten, die von dem wirtschaftlichen Erfolg ihrer Seite abhängig waren, wirkte sich diese Entwicklung natürlich katastrophal aus.

Umso größer war das Bestreben von betroffenen Internetseitenbetreibern, dieser von Google in der Zwischenzeit wiederholt und erweitert ausgeführten Strafaktion wieder zu entkommen. Google sparte auch nicht mit Hinweisen, was die betroffenen Seiteninhaber zu tun haben: Unnatürlich gesetzte Links sollten gelöscht werden und zukünftiger Link-Spam unterbleiben. Durch das Penguin-Update stellte auf einmal jeder selbst gesetzte und von Google als minderwertig angesehene Link auf die eigene Internetseite eine potentielle Bedrohung für das Ranking bei Google dar.

Verkehrte Welt bei der Suchmaschinenoptimierung

Auf einmal ging es bei der Suchmaschinenoptimierung nicht mehr um das Setzen von Links, sondern die Internetseitenbetreiber mussten sich vielmehr Gedanken darüber machen, wie sie die vielen und mittlerweile schädlichen Links wieder aus der Welt schaffen können.

Im Einzelfall wartete da auf betroffene Internetseitenbetreiber, die aus welchen Gründen auch immer ein von Google zur Verfügung gestelltes tool zur Entwertung von Links nicht benutzen wollten, Schwerstarbeit. Hatten sie ihre Seite nämlich bei hunderten von Artikelportalen, Webkatalogen oder Bookmark-Diensten eingetragen, so durften sie jetzt bei den Betreibern dieser Seiten vorsprechen und um Löschung der dort vorhandenen Links nachsuchen.

Und genau hier fingen die Probleme für die Betroffenen oft erst richtig an. Die Betreiber der Artikelportale, Webkataloge oder Bookmark-Dienste sahen sich nämlich plötzlich mit einer Vielzahl von Anfragen konfrontiert, sie mögen doch bitte einen auf ihrer Seite vorhandenen Link wieder löschen. Nachdem die Betreiber dieser linkgebenden Seiten solche Anfragen allenfalls als lästig und in jedem Fall als wirtschaftlich uninteressant empfanden, wurden solche Anfragen von der Mehrzahl der Betreiber entweder negativ verbeschieden oder schlicht ignoriert. Im Einzelfall versuchten die Betreiber der linkgebenden Seiten aus der neuen Situation sogar Profit zu schlagen und erklärten sich zur Löschung der Links lediglich gegen Zahlung einer Aufwandsentschädigung bereit.

Internetseitenbetreiber, die Links wieder loswerden wollten, bissen bei den Betreibern von linkgebenden Seiten mit ihrem Anliegen demnach oft auf Granit. Im Folgenden soll untersucht werden, ob die Internetseitenbetreiber möglicherweise sogar einen Rechtsanspruch auf Löschung der für das Ranking ihrer Seite schädlichen Links haben.

Was sagen die deutschen Gerichte?

Die staatlichen Gerichte haben sich mit der Frage, ob man von dem Betreiber einer Internetseite verlangen kann, dass dieser dort vorhandene Links auf die Internetseite des Anspruchstellers löscht, kaum beschäftigt.

Das Setzen von Links im Internet wurde, soweit ersichtlich, bisher lediglich im Zusammenhang mit der Frage der Übernahme der Verantwortlichkeit für auf der verlinkten Seite vorhandenen gesetzwidrige Inhalte (z.B. OLG München, Urteil vom 29.04.2008 Az.: 18 U 5645/07) oder auch vor dem Hintergrund beleuchtet, ob das Setzen von Links gegen das Urheberrecht verstößt (z.B. BGH, Urteil v. 17.07.2003, Az. I ZR 259/00).

Lediglich das Landgericht Amberg (LG Amberg, Urteil vom 22.08.2012, 14 O 417/12) hatte sich mit einem Anspruch auf Löschung von im Internet gesetzten Links zu beschäftigen. In dem dort entschiedenen Fall ging es jedoch lediglich um Ansprüche im Verhältnis eines enttäuschten Kunden zu einem von diesem beauftragten Suchmaschinenoptimierer.

Die Frage, ob ein Betreiber einer Webseite gegen den Betreiber eines Artikelportals, eines Webkataloges oder Bookmark-Dienstes einen Rechtsanspruch auf Löschung eines Links hat, ist bisher noch nicht von einem deutschen Gericht entschieden worden.

Anspruchsgrundlage für einen Löschungsanspruch

Als mögliche Anspruchsgrundlagen für einen gerichtlich durchsetzbaren Löschungsanspruch gegen den Betreiber eines Artikelportals, eines Webkataloges oder Bookmark-Dienstes kommen Normen des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) in Frage.

Eingriff in das Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb

Für einen Anspruch auf Löschung von Links auf fremden Internetseiten kann auf den Beseitigungsanspruch nach § 823 Abs. 1, § 1004 Abs. 1 Satz 1 BGB zurück gegriffen werden.

Zu den nach § 823 Abs. 1 BGB geschützten Rechtsgütern gehört unter anderem auch das so genannte Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb. Jeder Internetseitenbetreiber, der mit seiner Seite in welcher Form auch immer Geld verdient, betreibt regelmäßig einen solchen nach § 823 Abs. 1 BGB geschützten Gewerbebetrieb.

Mit dem Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb wird das Recht eines jeden Gewerbetreibenden geschützt, mit seinem Betrieb am Wirtschaftsleben teilnehmen zu können und sich dort auch ungestört entfalten zu können.

Wird der Betrieb von einem Dritten unmittelbar beeinträchtigt oder sogar in seinen Grundlagen bedroht, hat der Betroffene einen Rechtsanspruch auf Beseitigung dieser Beeinträchtigung.

Auf den konkreten Fall übertragen bedeutet dies, dass der von einem Rankingverlust aufgrund des Penguin-Updates betroffene Internetseitenbetreiber dem Grunde nach von dem Betreiber eines Artikelportals, eines Webkataloges oder Bookmark-Dienstes verlangen kann, dass dieser für das Ranking einer Internetseite abträgliche Links von seiner Seite entfernt.

Durch die Beibehaltung eines Links, der nachweislich negative Auswirkungen auf das Ranking einer Seite bei Google hat, greift der für diesen Link Verantwortliche in den geschützten Rechtsbereich des Betroffenen ein und setzt sich damit dem Beseitigungsanspruch nach § 1004 BGB aus.

Dies gilt umso mehr, als von dem Penguin-Phänomen vor allem Unternehmen betroffen sind, die ihre Leistungen ausschließlich über das Internet anbieten und deren Existenz mehr oder weniger von dem Ranking bei Google abhängt.

Verschulden des Portalbetreibers für Löschungsanspruch erforderlich?

Für einen Beseitigungsanspruch nach § 823 Abs. 1, § 1004 Abs. 1 Satz 1 BGB ist es auch ausdrücklich nicht erforderlich, dass der Störer die Beeinträchtigung schuldhaft, also zumindest leicht fahrlässig, verursacht hat.

Dem Betreiber eines Artikelportals, eines Webkataloges oder Bookmark-Dienstes hilft danach der Hinweis, wonach er selber gar keinen Link gesetzt habe, also grundsätzlich nicht weiter. Er stellt mit seiner Seite eine Plattform zur Verfügung, von der unstreitig Störungen im Sinne von § 1004 BGB ausgehen. Dass diese Störungen mittelbar alleine mit der Änderung des Suchalgorithmus von Google in Zusammenhang stehen, ändert nichts an der Verantwortlichkeit des Betreibers für seine Plattform. Dass er diese Entwicklung möglicherweise bei Begründung seiner Seite nicht vorhersehen konnte, spielt für den Beseitigungsanspruch keine Rolle.

Ausschluss des Anspruchs bei vertraglicher Einwilligung?

Ein Löschungsanspruch des betroffenen Internetseitenbetreibers kann ausgeschlossen sein, wenn er der dauerhaften und unbedingten Veröffentlichung des auf seine Seite gerichteten Links zugestimmt hat. Solche Erklärungen können theoretisch im Einzelfall auch durch ein Einverständnis zu allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) des Portalbetreibers abgegeben werden.

Nachdem aber nur die wenigsten Portalbetreiber die Penguin-Problematik bei Etablierung ihrer Seiten überhaupt auf dem Schirm hatten, dürften entsprechende rechtswirksame Einverständniserklärungen von betroffenen Seitenbetreibern jedoch in aller Regel fehlen.

Sollten entsprechende Passagen in den AGBs der Portalbetreiber vorhanden sein, so wäre in jedem Einzelfall deren Wirksamkeit anhand von § 307 BGB zu überprüfen. Gegebenenfalls könnte man sich in diesem Punkt auch auf die Grundsätze über die Störung der Geschäftsgrundlage nach § 313 BGB berufen, da der linksetzende Seitenbetreiber zu dem Zeitpunkt, zu dem der Link gesetzt wurde, nicht mit den negativen Konsequenzen dieser Aktion und seiner Einverständniserklärung rechnen konnte.

Schließt die Mitverursachung einen Löschungsanspruch aus?

Auch der Hinweis des Portalbetreibers auf eine Mitverursachung des linksetzenden Seitenbetreibers nach § 254 BGB und die Tatsache, dass der linksetzende Seitenbetreiber für die entstandene Beeinträchtigung alleine verantwortlich ist, dürfte am Ende einem Löschungsanspruch nicht im Wege stehen.

Zumindest für die Zeit vor dem Ausrollen des Penguin-Updates durch Google konnte und musste kein Internetseitenbetreiber mit negativen mit dem Link verbundenen Konsequenzen rechnen. Galt doch lange Zeit in der Internetgemeinde die begründete Auffassung, dass ein Link allenfalls wirkungslos ist, aber in keinem Fall schädlich, da es anderenfalls ja möglich sei, Konkurrenten durch das gezielte Setzen schlechter Links bei Google in Misskredit zu bringen.

Dass diese Grundannahme unzutreffend ist, kann seit gut zwei Jahren beobachtet werden.

Wer aber vor dieser Erkenntnis im Jahr 2012 auf entsprechenden Portalen einen Link auf seine eigene Seite gesetzt hat, war entsprechend gutgläubig und muss sich seinem Löschungsanspruch nicht entgegenhalten lassen, dass er die Störung selber verursacht hätte.

Dies mag man für Links, die später als April 2012, der erstmaligen Veröffentlichung des Penguin-Updates, gesetzt wurden, anders beurteilen.

Wer trägt für den Löschungsanspruch die Beweislast?

Der wohl heikelste Punkt für einen an der Löschung eines Links interessierten Seitenbetreiber ist die Frage der Beweislast in einem gerichtlichen Verfahren. Als Anspruchsteller muss er nämlich sämtliche Voraussetzungen für seinen Löschungsanspruch vortragen und, soweit der Gegner bestreitet, nachweisen.

Man darf getrost davon ausgehen, dass Portalbetreiber, die auf Löschung eines Links in Anspruch genommen werden, zunächst einmal bestreiten, dass der auf ihrer Seite enthaltene Link überhaupt eine Störung im Sinne von § 1004 BGB darstellt. Dann ist es am Anspruchsteller zu beweisen, dass von diesem fraglichen Link tatsächlich negative Auswirkungen für eine Internetseite ausgehen.

Nachdem ein Richter diese Frage nicht aus dem Handgelenk wird beantworten können, wird man hier in einem gerichtlichen Verfahren in aller Regel nicht um ein kostenintensives Gutachten herum kommen.

Ob es der Portalbetreiber aber tatsächlich auf ein solches Gutachten ankommen lassen will, muss er sich gut überlegen. Kommt das Gutachten nämlich – erwartungsgemäß – zu dem Ergebnis, dass der auf dem Portal vorhandene Link tatsächlich negative Folgen für das Ranking einer Internetseite hat und wird dem Löschungsanspruch auf dieser Grundlage vom Gericht stattgegeben, dann trägt die komplette Kostenlast – inklusive der angefallenen Gutachterkosten – der unterlegene Portalbetreiber.

Fazit

Betreiber von Artikelportalen, Webkatalogen oder Bookmark-Diensten, die von Internetseitenbetreibern vergeblich aufgefordert werden, auf ihren Seiten enthaltene Links zu löschen, wandeln juristisch auf sehr dünnem Eis.

Jeder Portalbetreiber muss abwägen, ob ihm der für eine Löschung eines Links erforderliche Aufwand von maximal einer Minute in Anbetracht eines Kostenrisikos in Höhe eines vierstelligen Eurobetrages im Falle einer gerichtlichen Auseinandersetzung mit dem betroffenen Internetseitenbetreiber tatsächlich zu groß ist.

Der Portalbetreiber muss dabei vor allem beachten, dass der Nachweis vor Gericht, dass von einem bestimmten Link negative Auswirkungen für das Ranking einer Seite ausgehen, in Anbetracht zunehmend schärferer Anti-Spam-Maßnahmen von Google, nicht allzu schwer fallen dürfte.